Persönliche Daten:
 
•    aktiver Rollstuhlfahrer

•    geb. 11.09.1992
•    Schulzeit im Lernbehindertenbereich 9. Klasse Abschlusszeugnis
•    Diagnose der Arbeitsfähigkeit erfolgreich abgeschlossen
•    Unterstützte Beschäftigung ohne Erfolg abgeschlossen

 

 

Betriebliche Erprobung  (Praktikum)  Diagnose der Arbeitsfähigkeit

•    Pflegeheim, Bürotätigkeiten

 

 

 

Betriebliche Erprobung  (Praktikum) Unterstützten Beschäftigung

•    an der ehemaligen Schule Bürotätigkeiten
•    Kinder- und Jugendclub -Betreuung
•    Probetag im Zellstoffwerk

Das fällt mir immer wieder auf,
Stempel auf das Wort und fertig. Das hat so eine negative Wirkung auf den Menschen mit Behinderung, dieses Wort Behinderung/Behindert könnte man ganz leicht umformulieren, aber kaum einer achtet darauf, auch mal ein anderes Wort einzusetzen, wie Einschränkungen oder Beeinträchtigungen Natürlich kann man das andere Wort auch weiterhin benutzen.

 

Ich mache mir öfter Gedanken über die alte Schulzeit und muss sagen, dass ich sehr enttäuscht bin, in den ganzen Jahren lügen und lügen z. B. "ihr könnt alles werden" und dem ist eben nicht so. Wenn man uns die Wahrheit erzählt hätte, dass hätte uns sicher nicht geschadet, die Lehrer hatten wohl Angst, dass die Eltern der Schüler bei ihnen Zuhause anrufen und sich laut stark beschweren, mein Kind das hat gesagt... Aber genau das Gegenteil. Lügen ist besser.
So entstehen 3 Parteien 1. Lehrer 2. Eltern 3. Arbeitsamt. Wem soll man da Glauben schenken? Die Schüler haben ganz falsche Vorstellungen vom Leben. Ich als lernbehinderter ehemaliger Schüler versuche, mich damit abzufinden. Mein Ziel war es, mit Hilfe der Unterstützten Beschäftigung als Rollstuhlfahrer mit den Einschränkungen eine geeignete Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt z. B. im Bürowesen zu finden ,war leider ohne Erfolg.
Man fühlt sich wie ein Fußball, immer nur getreten. Oft bekommt man die Aussage zu hören, Praktikum ja, Übernahme nein.

Das Arbeitsamt hat mich nach fast 10 Monaten gekündigt.

Nach langen Überlegungen bin ich bereit in die Einrichtung Bodelschwingh Haus zu gehen, um mich dort zu erproben.

Es ist zum Irrewerden, wir drehen uns im Kreis, jetzt wo ich bereit bin nach W. Bodelschwingh Haus zu gehen, da muss ich erst wieder die Werkstattfähigkeit erwerben, laut Gutachten kann ich keiner Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nachgehen, bin aber dennoch zu gut für den Zweiten Arbeitsmarkt und das bedeutet, es vergehen wieder Tage Wochen Monate und W. Bodelschwingh Haus, da bleibt weiterhin die Frage würde das überhaupt genehmigt, weil ich den Landkreis verlasse und ich nachwievor gegen die Lebenshilfe in meinem Landkreis bin. Zwei Tage später neue Information vom Arbeitsamt: in fünf Wochen soll es mit der Arbeit in der Einrichtung klappen. Aus Privaten Gründen ist eine Weiterbeschäftigung auf Dauer in der Einrichtung Bodelschwingh Haus nicht mehr möglich. Werde höchst wahrscheinlich die Lebenshilfe in meinem Heimatort in Anspruch nehmen und bin dann auch auf keinerlei Fahrdienste in Zukunft mehr angewiesen. Bin dadurch wieder Selbstständiger und kann Flexibler agieren. Egal und unabhängig von welcher Einrichtung man hier spricht, alles hat seine zwei Seiten, man dreht sich im Kreis, ich fühle mich in der Masse Menschen nicht wohl. Erzähle den Leuten, das was sie hören wollen. Die Leute leben in ihrer Welt und ich in meiner Welt. Die verstehen mich nicht und ich verstehe die Leute nicht, scheinbar fühlen sich die Leute dort untereinander wohl, aber ich gehöre nicht dazu. Es wird aber von mir erwartet, das ich mich da wohl fühle und wenn nicht, ist der Fehler bei mir. Arbeit ist das nicht, sondern eine Beschäftigungstherapie, mehr nicht. Ich kann mich auch zuhause beschäftigen. Es war interessant, das mal so zusehen, fühle mich eingesperrt, nicht ich selbst Die Menschen dort mit ihren Einschränkungen sind so unterschiedlich, zum Beispiel bin ich bestrebt, jedes einzelne Wort zu verstehen, wenn ich das nicht kann, fühle ich mich fehl am Platz, fühle mich fremd. Eine Einbahnstraße in zwei Richtungen. Das ganze System gefällt mir nicht, es ist unterfordernd und man bedenke, die Einrichtung bekommt dafür Geld pro Tag für jeden eingeschränkten Menschen, der dort arbeitet. Solange er nicht krankgeschrieben ist. Die Anwesenheit zählt, ob die Person selber arbeitet, spielt dabei keine Rolle und wenn die Person arbeitet, nennt man das ganz einfach Zuarbeit. Wenn alle auf einmal kündigen würden, dann geht die Einrichtung pleite Deswegen halten sie die Leute so gut es geht fest, der zweite Arbeitsmarkt ist und bleibt der zweite Arbeitsmarkt. Man möchte den ersten Arbeitsmarkt nicht mit dem zweiten Arbeitsmarkt belasten Mir geht es scheiße- gut könnte man so sagen. Wie geht es dir? zur Erklärung wann ich nur scheiße sagen würde, dann würden sie gleich fragen warum und wenn ich nur gut sagen würde, dann ist das nur eine Lüge. Ich habe das erreicht, was ich nicht erreichen wollte, hoffentlich ist das keine endlose Endstation. Es gibt nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn. Denn so gesehen muss man das hochanrechnen, das die Menschen zur Arbeit kommen, um sich zu beschäftigen und einen geregelten Tagesablauf durchhalten möchten. Und was bekommen Sie als Dankeschön? Ich persönlich stelle mir immer wieder die Sinnfrage. Wo ist der Sinn arbeiten zu gehen?

Jetzt habe ich die Möglichkeit als Rollstuhlfahrer mit gleichgesinnten rollstuhlgerechte Orte zu finden und zu erkunden, wo ich mich sehr gerne mit einbringe, weil ich selber als Rollstuhlfahrer betroffen bin Wenn der Plan A rollstuhlgerecht nicht funktioniert, so ist es oft der Fall, dass der Plan B genommen werden muss. Das heißt, man ist auf Hilfe einer Begleitperson angewiesen oder auf andere Passanten, was nicht sein muss. Deswegen mache ich bei dem Projekt Wheelmap- rollstuhlgerechte Orte finden mit. Wie bei Wikipedia kann jeder mitmachen und öffentliche Gebäude bewerten, nach der Rollstuhlgerechtigkeit, mit den Farben: grün= Rollstuhlgerecht, gelb= Eingeschränkt Rollstuhlgerecht und die Farbe Rot= nicht Rollstuhlgerecht. Dieses Ampelsystem habe ich für meinen selbst erstellten Bewertungskatalog genommen, auch mit den Punkten, die nicht notwendig oder nicht vorhanden sind. Zu berücksichtigen sind folgenden Kriterien z. B. Breite der Türen, Stufen (Türschwellen) und Steigung und Gefälle der Schräge. Mein persönliches Ziel ist es nicht kritisieren, sondern mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Ratschläge zu geben, wie man es besser machen kann, eine Hundertprozentige Barrierefreiheit für alle wird es nicht geben, weil jeder Rollstuhlfahrer andere Bedürfnisse hat, aber man kann einem Bäcker z. B. sagen wenn er eine Treppe vor seiner Tür hat, das er eine Funkklingel installieren kann, Die Wheelmap ist eine Karte im Internet für rollstuhlgerechte und weniger rollstuhlgerechte Orte, wo man eintragen und suchen kann Das Ziel ist Menschen zum Umdenken zu bewegen und über Barrierefreiheit in ihren Räumlichkeiten nachzudenken. Davon profitieren nicht nur Leute im Rollstuhl, sondern auch Menschen mit Gehhilfen wie Rollatoren und Familien mit Kinderwagen. Barreierfrei Bauen geht, das habe ich schon selber erlebt, aber der Wille muss da sein. Am 5. Mai 2015 fand der Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung statt. Unterstützt von der Aktion Mensch hat die Lebenshilfe in meinem Heimatort auch dazu beigetragen und ich habe das Projekt Wheelmap mit unterstützt. Nun ist es soweit, der Einzug in die neue und erste Wohnung steht kurz bevor. Es wird nicht einfach werden. Der große Schwerpunkt bei diesem Projekt ist der Auszug aus dem Elternhaus und der Einzug in die neue Wohnung, was rollstuhlgerecht sein muss. Erfahrungen habe ich keine, es stellt sich mir die Frage, sollen Menschen mit Einschränkungen überhaupt so weit es möglich ist selbständig in Deutschland wohnen oder doch lieber gleich in das nächstgelegene betreute Wohnen ziehen, weil sie z. B. mit ihrem Rollstuhl keine für sie geeignete Wohnung finden konnten. Ein neuer beruflicher Lebensabschnitt darf beginnen. Ich darf an dem Projekt Inklusive Bildung Sachsen-Anhalt zusammen mit 5 anderen teilnehmen. Das beinhaltet eine 3 jährige Ausbildung zur Bildungs-Fachkraft für Inklusive Bildung. Aufgabe ist es, als Betroffener aus seiner eigenen persönlichen Lebenswelt zu unterschiedlichen Themen wie z. B. Bildung, Arbeit und Freizeit zu reflektieren vor beispielsweise Studierenden.

 

Martin Welz